Baulücken aktivieren

Innenentwicklung und Ortskernsanierung

Wie die Gemeinde untergenutzte und brachliegende Grundstücke sowie Baulücken für Vorhaben aktivieren kann.*

Innen statt aussen – Mehr als ein Thema des Flächensparens

Matthias Simon, Bayerischer GemeindetagKaum ein Thema bewegt unsere Städte und Gemeinden derzeit so stark, wie das der Innenentwicklung. So vergeht gegenwärtig kaum eine Woche, in der nicht zumindest eine der wichtigen staatlichen Beratungsinstitutionen unserer Gemeinden, namentlich die Ämter für Ländliche Entwicklung, die Städtebauförderung, die unteren Bauaufsichtsbehörden oder das Landesamt für Umwelt, eine Tagung oder einen Fachtag zu besagtem kommunalpolitischem Gestaltungsbereich ausrichtet. Schließlich hat der Freistaat Bayern erst vor ein paar Monaten eine Sonderförderung zur Städtebauförderung aufgelegt, wenn Gemeinden in einem Grundsatzbeschluss festlegen, der Innenentwicklung einen besonderen Vorrang in ihrer städtebaulichen Planung einzuräumen. Woher rührt dieses große Interesse für die Themen Ortskernrevitalisierung, Leerstandsmanagement und Innenentwicklung? Die Gründe speisen sich aus mindestens vier Debatten, kommunalpolitischen Erkenntnissen und dem diesbezüglichen Gestaltungswillen sowie rechtlichen Vorgaben:

  • § 1a Abs. 2 BauGB postuliert seit der BauGB-Novelle 2013 einen sogenannten Vorrang der Innenentwicklung. Dementsprechend ergibt sich für den planerischen Abwägungsvorgang aus § 1a Abs. 2 Satz 4 das Gebot zu einer besonderen Befassung mit „den Möglichkeiten der Innenentwicklung […], zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können“.
  • Die Notwendigkeit zur Minderung der Flächen(neu) Inanspruchnahme für Siedlung und Verkehr legen den gemeindlichen Blick für städtebauliche Entwicklungen noch verstärkter, als dies ohnehin bereits bisher der Fall ist, auf bestehende Innenentwicklungspotentiale.
  • Dringend benötigter Wohnraum strapaziert mehr und mehr die Geduld der Städte und Gemeinden bezüglich des Umgangs der jeweiligen Grundstückseigentümer mit bebaubaren Hortungs-, Spekulations-, oder Enkelgrundstücken.
  • Schließlich ist es der gemeindliche Wille und die gemeindliche Verantwortung für eine gute Ortsentwicklung, die sie gerade auch in Regionen mit großen strukturellen Herausforderungen auf Innenentwicklung setzen lässt.

Vitale Ortskerne führen zu vitalen Städten und Dörfern. Und vitale Städte und Dörfer sind lebenswerte Orte für die Menschen in unseren Gemeinden. Die Gründe, weshalb es sich lohnt, Innenentwicklungspotentialen, Brachflächen und Nachverdichtungspotentialen besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sind demnach vielfältig und bedürfen nicht der weiteren Erörterung. Auch sei vorausgeschickt, dass die individuellen Schwerpunkte, Problemkreise und Ausformungen, die von unseren Städten und Gemeinden auf dem Felde der Innenentwicklung und der Ortskernvitalisierung zu bearbeiten sind, so vielfältig sind, wie unsere Städte und Gemeinden selbst. Diese darzustellen würde ebenfalls den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen. Der vorliegende Beitrag möchte sich demnach mit einem eingegrenzten, spezifischen Aspekt gelingender Innenentwicklung, Nachverdichtung und Ortskernvitalisierung befassen, nämlich mit der Frage, wie Städte und Gemeinden brachliegende und untergenutzte Grundstücke sowie Baulücken für gemeindliche Vorhaben bzw. für Vorhaben des privaten Grundstückseigentümers aktivieren können.

Hierbei soll nur am Rande das „politische“ Instrumentarium beleuchtet werden, welches unseren Gemeinden zur Verfügung steht. Denn der vorliegende Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Zugriffs-, Aktivierungs-, und Steuerungsinstrumenten, die insbesondere das Baugesetzbuch bereithält, um einen gemeindlichen Zugriff, eine Aktivierung bzw. die gemeindliche Mitsprache über die Nutzung von Baulücken und Brachflächen zu erreichen.

Das Baugesetzbuch hält einen Instrumentenkasten bereit

Das Baugesetzbuch ist in Deutschland das Fachgesetz, welches sich an verschiedenen Stellen als Inhalts- und Schrankenbestimmung¹ des Eigentums mit Fragen der Grundstücksnutzung sowie den diesbezüglichen (gemeindlichen) Steuerungsmöglichkeiten befasst. Als Grundlage dieser Steuerung enthält das Baugesetzbuch an verschiedenen Stellen Instrumente, mit denen eine Aktivierung von Bauland erreicht werden kann, bzw. die der gemeinwohlorientierten Stadt und Gemeinde Zugriffschancen auf Grundstücke einräumen, die einer guten städtebaulichen Entwicklung dienlich sind. Eine einfache Erkenntnis guten Städtebaus lautet nämlich: Das Geheimnis zielführender städtebaulicher Projekte liegt häufig im Grundstückseigentum der Stadt oder Gemeinde. Eine Gemeinde, die im Eigentum eines Grundstücks ist, kann dieses im Rahmen z.B. einer Konzeptvergabe² und mit Bauverpflichtung weitergeben und dabei bei der konkreten Ausgestaltung, z.B. eines Vorhabens des sozialen und/oder bedarfsgerechten Wohnraums ein gewichtiges Wort mitreden. Oder sie kann selbst projektierend tätig werden, z.B. mit Hilfe von Förderprogrammen des Staates. Von dieser Prämisse geht auch der Baugesetzgeber aus, da er sich sonst nicht mit entsprechenden Mechanismen zur Erlangung des gemeindlichen Grundstückseigentums bzw. der gemeindlichen Steuerung befasst hätte.

Eine zweite Erkenntnis in diesem Kontext lautet: Nur wer diese Instrumente kennt, kann sie zur gebotenen Zeit rechtssicher zum Einsatz bringen und damit einen positiven Beitrag zur städtebaulichen Entwicklung seiner Gemeinde leisten. Mit anderen Worten: „Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind günstig.“³ Deshalb lohnt eine intensive Auseinandersetzung mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten.

Welche Instrumente sind es also?

Bauleitplanung nur nach Zwischenerwerb bzw. mit auferlegter Bauverpflichtung. Veräußerung gemeindlicher Flächen nur mit Bauverpflichtung.

Ein zentraler Pfeiler einer Baulückenvermeidungs- und aktivierungsstrategie besteht mit Blick auf zukünftige Baulandausweisungen darin, diese nur noch vorzunehmen, falls die Gemeinde mittels gemeindlichem Zwischenerwerb oder städtebaulichem Zielbindungsvertrag sicherstellen kann, dass die zu entwickelnden Grundstücke mit einer vertraglichen Bauverpflichtung versehen werden können.

Einfach gewendet: Erlangt der zukünftige Grundstückseigentümer sein Grundstückseigentum von der Gemeinde, kann diese vertraglich fordern, dass potentielle Käufer innerhalb einer angemessenen Frist ein Wohnhaus zu errichten haben. Bei einem Verstoß gegen eine solche Bauverpflichtung besteht für die Gemeinde die Möglichkeit zur Ausübung eines vormerkungsgesicherten Wiederkaufsrechts um am Markt erneut nach einem Bauwilligen Ausschau zu halten.

Sehr ähnlich gelagert ist der Fall bei der gemeindlichen Überplanung von Flächen, die nicht im Eigentum der Gemeinde stehen. Diesbezüglich sollte eine Gemeinde immer darüber nachdenken, eine solche nur vorzunehmen, wenn der planbegünstigte Grundstückseigentümer sich bereit erklärt, eine Bauverpflichtung in Form eines vormerkungsgesicherten Ankaufsrechts einzugehen. Die Gemeinde sichert sich damit für den Fall der Nichtbebauung binnen einer bestimmten Frist das Recht, das Grundstück vom Eigentümer zu erwerben, um es dann an einen Bauwilligen weitervergeben zu können. Bebauungspläne heißen Bebauungspläne, da sie auf Bebauung hin angelegt sind. Und Bebauungspläne sind dann aufzustellen, sobald uns soweit es (natürlich auch für eine alsbaldige Bebauung und Nutzung) erforderlich ist, siehe § 1 Abs. 3 BauGB. Aus diesem Grund wird eine planbegleitende Bauverpflichtung
in der Regel immer ein angemessener Regelungsgegenstand eines städtebaulichen Vertrages sein. Zu empfehlen ist aus Gründen der Gleichbehandlung, der Transparenz, der Angemessenheit sowie aus Gründen einer städtebaulich zielführenden und nachhaltigen Planung, ein solches Vorgehen zum Gegenstand eines gemeindlichen Grundsatzbeschlusses zur Baulandentwicklung zu machen. Eine derartige, auch gemeinsam sachlich und fachlich erarbeitete Willensbildung durch das zuständige Beschlussgremium Gemeinderat hat auch den positiven Effekt, dass sich auf Ebene der gemeindlichen Baulandentwicklungspolitik eine klare Verlässlichkeitsgrundlage herausbildet, die der Gemeinde sowohl eine Argumentationsgrundlage gegenüber den Eigentümern potentieller Baulandflächen, als auch ein Gleichbehandlungsschema bietet.

Praxistipp:

Grundsatzbeschlüsse zur Baulandentwicklung schaffen Verlässlichkeit, Gleichbehandlung, Transparenz, Rechtssicherheit, sie stellen i.d.R. eine zeitnahe Bebauung sicher und sie schaffen bei den Gemeinderäten ein Bewusstsein darüber, dass die Planungshoheit in der Hand der Gemeinde liegt.

Das allgemeine und das besondere Vorkaufsrecht

Ferner sollte sich die Gemeinde frühzeitig eine Bild darüber verschaffen, welche Möglichkeiten ihr die gemeindlichen städtebaulichen Vorkaufsrechtsregelungen der §§ 24 und 25 BauGB bieten. So wird das auf Ausübungsebene zu begründende Wohl der Allgemeinheit im Falle des allgemeinen Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bei entsprechend substantiierter Vorbereitung regelmäßig auch dann vorliegen können, wenn die Gemeinde nachweisbar die Absicht hat, die Grundstücke in einem überschaubaren Zeitraum eine – nachgefragten und notwendigen – sozialgerechten Wohnnutzung zuzuführen. Gleiches gilt für das Satzungsvorkaufsrecht gemäß § 25 Abs. 1 BauGB. In den von § 25 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfassten Fällen, welche gerade auf den Baulückenschluss abzielen, ist das Begründungserfordernis regelmäßig bei Vorliegen eines dringenden Wohnbedarfs der Bevölkerung erfüllt. Eine nachweisbare „alsbaldigen Durchführung“ (vgl. § 175 Abs. 2 BauGB) braucht zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung hingegen nicht abschließend nachgewiesen werden, da zu diesem Zeitpunkt lediglich der zur Sicherung der späteren Bebauung (dringender Wohnbedarf) beabsichtigte Grunderwerb zu rechtfertigen ist.⁴

Erfüllbare tatbestandliche Anforderungen stellt das Gesetz auch an das Satzungsvorkaufsrecht in städtebaulichen Maßnahmegebieten gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, welches auch für bebaute Grundstücke gilt. Und dies sowohl bezüglich der Satzungserlassvoraussetzungen als auch auf Ausübungsebene. Die Gemeinde kann demnach eine Vorkaufsrechtssatzung zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung für Gebiete erlassen, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht. Der Begriff der städtebaulichen Maßnahme ist hierbei zwar weit zu verstehen.⁵ Es empfiehlt sich jedoch eine substantiierte Konkretisierung des Vorhabens bereits bei Satzungserlass. Sicherlich ist die Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht für alle Gemeinden eine problemlose Option, da hierfür schließlich auch Geld in die Hand genommen werden muss. Dennoch lohnt sich die Kenntnis des Instrumentenkastens, den das Baugesetzbuch den Gemeinden mit den Paragraphen 24 und 25 bietet.

Praxistipp:

Die „Sollbruchstelle“ der Vorkaufsrechtsausübung ist in der Regel die notwendige Begründung des Wohls der Allgemeinheit. Hier ist Vorbereitung die halbe Miete. Vorkaufsrechtsausübungen die zusätzlich konzeptionell (Rahmenplan, ISEK, Bedarfsplanung für sozialen Wohnraum etc.) unterfüttert und begründet werden können, werden regelmäßig „gerichtsfester“ sein.

Praxistipp:

Existiert in ihrer Gemeinde ein Grundstück, dem der gesamte Gemeinderat eine zentrale Bedeutung für die gemeindliche Entwicklung zumisst, für das eine konkrete gemeinwohlorientierte Planungsidee auf dem Tisch liegt und um dessen Erwerb sich die Gemeinde seit langem bemüht? Dann sollte die Gemeinde für das betreffende Areal ernsthaft die Möglichkeit einer Satzung nach § 25 Abs. 1 Nr. 2 BauGB prüfen.

Im Einzelfall: Aufhebung von Bebauungsplänen

Ein weiteres Instrument, das im Einzelfall zur Reduzierung der Zahl brachliegender Baugrundstücke führen kann, ist die Möglichkeit, einen seit Langem rechtskräftigen, aber nur teilweise oder überhaupt nicht vollzogenen Bebauungsplan aufzuheben oder teilweise zurückzunehmen. Der städtebaulicheMissstand, der mit der beschriebenen Baulückenproblematik verbunden ist, die mangelnde Erforderlichkeit der ursprünglichen Planung sowie das positive Planungsziel der Flächenschonung und der Innenentwicklung, werden bei entsprechender Substantiierung hierfür regelmäßig die notwendige städtebauliche Begründung liefern können. Natürlich ist im Fall des Rückgriffs auf dieses scharfe Schwert des Bauplanungsrechts streng darauf zu achten, ein formell- und materiell-rechtlich einwandfreies Bebauungsplanaufhebungs- oder –änderungsverfahren durchzuführen. So muss die Planung, einschließlich der neuen Nutzungsmöglichkeit, städtebaulich erforderlich sein und darf keinen Strafplanungscharakter aufweisen. Auch ist es von zentraler Bedeutung, die Entschädigungsregelungen der §§ 39 ff BauGB sowie den Beginn der in § 42 Abs. 2 BauGB genannten Frist im Blick zu haben. Allerdings stellen diese Anforderungen bei langjährig ungenutzten Bebauungsplanflächen, die ggf. unerschlossen und zersiedelnd in den Außenbereich ragen, keine unüberwindbaren Hürden, beispielsweise für eine städtebaulich nachvollziehbare Arrondierung dar.

Praxistipp:

Das Ziel der Innenentwicklung, das Ziel der Flächenschonung im Außenbereich, die aufgrund mangelndem Eigentümerinteresse fehlende Realisierungsperspektive sowie das Ziel bestehende Baulückenpotentiale schließen zu wollen, können städtebauliche Begründungen darstellen, die einen Aufstellungsbeschluss rechtfertigen können, der ein Verfahren über die Aufhebung eines Bebauungsplanes einleitet. Jeder Fall ist jedoch einzeln zu prüfen.

Änderung von Flächennutzungsplänen

In logischer Anknüpfung an einen gemeindlichen Grundsatzbeschluss, wonach aus den städtebaulichen gründender strengen Bedarfsorientierung, der Nachhaltigkeit und der notwendigen Wohnraumschaffung zukünftige Baulandentwicklungen nur noch vorgenommen werden, wenn diese von einer konkreten Realisierungsperspektive getragen werden, sollte auch die Änderung konkreter Flächennutzungsplandarstellungen Teil einer nachhaltigen Baulandentwicklungsstrategie sein. Wenn eine Gemeinde demnach in einem gemeindlichen Baulandentwicklungsbeschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass Bauland zukünftig prioritär auf eigenen Flächen erfolgen soll, oder – soweit das nicht möglich ist – private Flächen nur bei Vereinbarung einer Bauverpflichtung einer Überplanung zugeführt werden, so ist es nur logische Konsequenz eines solchen Beschlusses, auf Flächen ohne eine derartige Realisierungsperspektive die Darstellung für Bauflächen wieder zurückzunehmen.

Eine solche langfristige Ortsplanungsstrategie sollte freilich immer von ganzheitlichen Konzepten getragen sein. Doch in jedem Fall bietet auch die Ebene des Flächennutzungsplanes große Chancen zur nachhaltigen Impulssetzung betreffend die Aktivierung von Wohnbauland. Und auch eine aktive Flächennutzungsplanung schafft im Gemeinderat und bei den Grundstückseigentümern ein Bewusstsein dafür, dass Bauleitplanung der Ortsentwicklung zu dienen hat und die Gemeinde hierbei das Heft des Handelns in der Hand hat. Zu zitieren ist in diesem Zusammenhang immer wieder § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der da lautet: „Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist."

Praxistipp:

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB den Gemeinden ein Vorkaufsrecht an unbebauten Flächen im Außenbereich einräumt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist.

Die aktivierende Überplanung des Bestandes

Eine weitere städtebauliche Strategie, die zur Aktivierung von Bestandsbaulücken bzw. zur Nachverdichtung von untergenutzten Flächen führen kann ist die nachverdichtende, baurechtserhöhende und oftmals zukunftsorientierte Bauleitplanung im Bestand. Mit anderen Worten: Dort wo durch einen alten, nicht mehr zeitgemäßen Bebauungsplan wenig Haus auf großem Grundstück zugelassen wird und sich eine entsprechende Bebauung als unwirtschaftlich darstellt, dort wo Kubaturen und festgesetzte Häusertypologien nicht mehr dem entsprechen, was von der nächsten Generation gewünscht wird und dort wo alte, nicht mehr zeitgemäße Bebauungspläne eine Doppelhaus- oder einen Geschosswohnungsbaubebauung ausschließen, dort kann die Überplanung entsprechender Areale eine mobilisierende Wirkung entfalten.

So haben verschieden  Gemeinden mit baulückenbelasteten Bebauungsplänen berichtet, dass sich Lücke um Lücke geschlossen hat, nachdem eine zeitgemäße und moderne Überplanung des Planungsumgriffs vorgenommen wurde. Gleiches gilt für das ordnende planerische Eingreifen in Bereiche deren Bebauung sich nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuchs richtet. So kann eine städtebaulich zielführende und eine das Ortsbild ernst nehmende Überplanung eines sich im Strukturwandel befindlichen Dorfkerns positive Effekte mit Blick auf die dort zukünftig entstehenden Gebäude, deren Maßstäblichkeit und damit die städtebauliche Qualität des Dorfkerns haben. Überlässt man den Strukturwandel hingegen den freien Kräften des § 34 Abs. 1 BauGB, so setzt man sich immer dem Risiko aus, den ursprünglichen Charakter des Dorfes preiszugeben. Aus diesem Grund sollte eine Ermittlung und Bewertung entsprechender Potentiale zwingend Teil einer gemeindlichen Innenentwicklungs- und Ortskernvitalisierungsstrategie sein.

Praxistipp:

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB den Gemeinden ein Vorkaufsrecht an unbebauten Flächen im Außenbereich einräumt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist.

Praxistipp:

Das Ziel der Innenentwicklung, das Ziel der Flächenschonung im Außenbereich, die aufgrund mangelndem Eigentümerinteresse fehlende Realisierungsperspektive sowie das Ziel bestehende Baulückenpotentiale
schließen zu wollen, können städtebauliche Begründungen darstellen, die einen Aufstellungsbeschluss rechtfertigen können, der ein Verfahren über die Aufhebung eines Bebauungsplanes einleitet. Jeder Fall ist jedoch einzeln zu prüfen.

Das Baugebot des § 176 BauGb

Neben der oben beschriebenen notariell zu vereinbarenden Bauverpflichtung kennt das Baugesetzbuch in § 176 BauGB auch ein öffentlich-rechtliches, mithin ein durch Bescheid auferlegtes Baugebebot. So enthält § 176 Abs. 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich folgenden Wortlaut:

„Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans kann die Gemeinde den Eigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist erstens sein Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu bebauen […]“

Zur Orientierung: Hierbei handelt es sich um den Mechanismus, der im Frühling 2019 kommunalpolitisch und medial überregional in der Stadt Tübingen diskutiert wurde.

Zwar kann dieses städtebauliche Gebot im Einzelfall ein adäquates Mittel zur Aktivierung und damit zur Schließung einzelner Baulücken sein. Als Grundlage einer ganzheitlichen Baulückenschließungsstrategie im ländlichen Raum wird es jedoch wohl nicht die optimale Grundlage bieten können. So dürfte die bescheidsmäßige Verpflichtung eines einzelnen Grundstückseigentümers zur Errichtung eines privaten Wohnhauses ohne konzeptionelle Auswahlentscheidungsgrundlage, deren Feststellungen genau zu diesem Grundstück gelangen, gerade im ländlichen Raum regelmäßig an der subjektiven wirtschaftlichen Zumutbarkeit, der Gleichbehandlung, des Vorrangs der Freiwilligkeit und dem damit verbundenen Ultima-Ratio-Prinzip kollidieren.

Die häufig vorgetragenen Hürden, die auf dem Weg zu einem Baugebot nach § 176 BauGB zu bewältigen sind, sollten jedoch nicht Anlass dafür sein, ein solches Vorhaben sogleich wieder ad-acta zu legen. Vielmehr kann es durchaus Einzelfälle geben, bei denen sich ortsbildprägende Standorte in Gemeinden mit angespanntem Wohnraumangebot in der Hand von wirtschaftlich gut aufgestellten institutionellen Eigentümern befinden, die ein entsprechendes Grundstück lediglich aus monetären Motiven nicht der Bebauung zuführen. Es gilt dann, ein mögliches Baugebot nach einem Blick in die Rechtsprechung⁶ optimal und substantiiert vorzubereiten⁷.

Praxistipp:

Wer sich mit dem Thema Baugebot nach § 176 BauGB befasst, muss auch immer die Ultima-ratio des Baugebots im Blick haben und benennen. Diese formuliert §176 Abs. 8 BauGB: „Kommt der Eigentümer der Verpflichtung nach Absatz 7 auch nach Vollstreckungsmaßnahmen auf Grund landesrechtlicher Vorschriften nicht nach, kann das Enteignungsverfahren nach § 85 Absatz 1 Nummer 5 auch vor Ablauf der Frist nach Absatz 1 eingeleitet werden.“

Die städtebauliche Sanierungsmassnahme, das förmlich festgelegte Sanierungsgebiet und die Sanierungssatzung

Unter dem Kapitel Besonderes Städtebaurecht im Teil 1 der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen des Baugesetzbuchs, siehe die §§ 136ff BauGB, findet sich schließlich ein Satzungsinstrument (Sanierungssatzung), mit dem eine Gemeinde in bestimmten Gebieten, die durch einen städtebaulichen Missstand geprägt sind, auf Grundlage einer integrierten und ganzheitlichen städtebaulichen Untersuchung (vorbereitende Untersuchung) bestimmte Rechtsfolgen herbeiführen kann, die zur Erreichung einer positiven städtebaulichen Entwicklung (Sanierung) des betreffenden Ortsbereichs (förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet) beitragen. Die durch eine Sanierungssatzung herbeigeführten Rechtsfolgen sind dabei vielgestaltig. Je nach gewähltem Verfahren löst die Sanierungssatzung bestimmte Genehmigungspflichten für bauliche und eigentumsrechtliche Veränderungen, ein Vorkaufsrecht auch für bebaute Grundstücke (siehe § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und steuerliche Absetzungsvorteile für die sich im Satzungsumgriff befindlichen Eigentümer aus. Aus diesem Grund geht dem
Satzungserlass auch eine besondere Form der Öffentlichkeitsbeteiligung voran. Schließlich knüpft die landesrechtlich geregelte Städtebauförderung in der Regel an das Vorliegen einer Sanierungssatzung an.

Auch durch die Sanierungssatzung hat der Gesetzgeber dem Umstand und der Erkenntnis Rechnung getragen, dass der Schlüssel für eine Mobilisierung und Vitalisierung wichtiger Liegenschaften im Grundstückseigentum und in der gemeindlichen Mitsprache über dessen Verwendung liegt. Die Sanierungssatzung zeitigt insoweit verschiedene Wirkungen und fügt diese in einem Bündel zusammen.

Praxistipp:

Die Experten zum Thema förmlich festgelegtes Sanierungsgebiet und Sanierungssatzung finden die Städte und Gemeinden in den Regierungen und den dortigen Sachgebieten für Städtebauförderung. Der Grund hierfür ist einfach: Eine wirksame Sanierungssatzung ist in der Regel Grundlage dafür, um als Gemeinde in die Städtebauförderung zu gelangen.

Im Ergebnis: Einsatz im Bündel

Die Gesamtschau der dargestellten Instrumente führt zu dem Ergebnis, dass eine integrierte und instrumentenbasierte Innenentwicklung dann erfolgreich ist, wenn das gebotene Instrument zur gebotenen Zeit zum Einsatz gebracht wird. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Gemeinde Kenntnis über die Instrumente verschafft und sich ernsthaft vorbehält, diese im jeweiligen Einzelfall zum Einsatz zu bringen.

Praxistipp:

Die Gemeinde sollte sich zu einer ganzheitlichen, aber eben auch instrumentenbasierten Innenentwicklung entschließen und diese in einem Grundsatzbeschluss des Gemeinderats zusammenfassen. § 1a Abs. 2 BauGB
gibt hierfür die Linie vor.

Beispiel für einen Grundsatzbeschluss zur Innenentwicklung

Die Gemeinde A-Dorf erstellt derzeit, unterstützt durch das Sachgebiet 34 der Regierung von Oberfranken, ein Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept. Im Rahmen dieses Konzeptes wurden die städtebaulichen und funktionalen Analysen inzwischen durchgeführt und präsentiert. Das ISEK hat für die Gemeinde eine stagnierende Einwohnerentwicklung bei einem gleichzeitig sehr großen Innenentwicklungspotenzial erkannt. Der aktuelle Vitalitätscheck berechnet für die Gemeinde A-Dorf rd.[…] ha Baulücken und rd. […] ha leerstehende Wohngebäude. Für weitere rd. […] ha wird ein Leerstandsrisiko festgestellt. Grundlegendes Ziel der Gemeinde ist es daher, die künftige Wohnbauentwicklung auf das bereits ausgewiesene Bauland zu lenken, Neuerschließungen möglichst zu vermeiden und insbesondere die Wohnfunktion der Ortsmitte von A-Dorf und der Ortsmitte des Ortsteils Birkenfeld
zu stärken.

Die Vitalität der Ortsmitten soll zudem durch Einrichtungen, die für Einheimische ebenso attraktiv sind wie für Touristen, gestärkt werden. Hieraus erwartet sich die Gemeinde auch eine Stärkung der lokalen Gastronomie und Gewerbetreibenden.

Der Gemeinderat der Gemeinde A-Dorf beschließt daher,

• die Möglichkeiten zur Innenentwicklung und Nachverdichtung konsequent und vorrangig zu nutzen.

• grundsätzlich und insbesondere am Hauptort A-Dorf sowie am Ortsteil C-Dorf auf die weitere Ausweisung vonWohnbauland zu verzichten und die Wohnbaunachfrage auf bereits ausgewiesenes Bauland zu lenken.

• die Aktivierung von bereits ausgewiesenem Bauland und von Baulücken durch eine gezielte Eigentümeransprache sowie durch den planmäßigen und langfristigen Einsatz der Instrumente des Baugesetzbuchs (Bauverpflichtung, allgemeines Vorkaufsrecht, Vorkaufsrechtssatzung, Bauleitplanung im Bestand, Aufhebung von Bebauungsplänen, Sanierungssatzungen) zu fördern.

• in den Ortsmitten bestehende Nachverdichtungspotenziale vorrangig für Wohnentwicklung zu nutzen. Soweit das möglich ist, will die Stadt entsprechende Flächen erwerben, ggf. teilräumliche Entwicklungskonzepte erstellen und die neu auszuweisenden Flächen anschließend auf der Grundlage dieser Konzepte mit Bauverpflichtung vermarkten bzw. entwickeln.

• auf Grundlage des ISEK ein zulässiges städtebauliches Sanierungsgebiet zu beschließen, um so, z.B. durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, zu privaten Investitionen zu motivieren.

• auf Grundlage des ISEK zu prüfen, ob und in welchem Umfang tatsächlich Bedarf an dem bereits bauleitplanerisch dargestellten Bauland besteht oder ob eine Rücknahme (auch auf Ebene des Flächennutzungsplans) angebracht und möglich ist. Dies betrifft insbesondere die Ortsrandlagen.

• neues Bauland erst nach Abarbeitung der vorgenannten Grundsätze, vorrangig auf eigenem Grund, sonst mit Bauverpflichtung, sowie kleinräumig, bedarfsgerecht, unter Prüfung der Infrastrukturfolgekosten, unter Beachtung des demographischen Wandels möglichst flächennachhaltig auszuweisen.

• im Rahmen der vorgenannten Strategie in die Unterstützung der Städtebauförderung bzw. der Dorferneuerung zu gelangen.

Die Gemeinde A-Dorf beschließt im Weiteren, die Umsetzung dieser Ziele in einem ersten Schritt durch die vorrangige Entwicklung der „Kirchwegbrache“ für Wohnnutzung, des ehemaligen Gemeinschaftsbrauhauses für ortskernbelebende Nutzungen sowie des ehemaligen Gasthauses zum goldenen Lamm in C-Dorf für Wohnen oder Tourismus anzupacken. Diesbezüglich soll auch der Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung geprüft werden. Entsprechende Projektbeschreibungen zur Aufnahme in die Förderinitiative „Innen statt außen“ liegen vor.

Praxistipp:

Überzeugen sie den gesamten Gemeinderat von einer ganzheitlichen, aber eben auch instrumentenbasierten Innenentwicklungsstrategie und gehen sie mit dem gesamten Gemeinderat in Klausur. Die Kenntnis der vorgenannten Instrumente im gesamten Gremium macht Diskussionen zu einzelnen Fallkonstellationen zielführender.

Zusammenfassung:

Wie die Vielgestaltigkeit der erläuterten Instrumente zeigt, kann eine instrumentenbasierte Strategie zur Behebung einer örtlichen Baulückenproblematik, zur Aktivierung zentraler Liegenschaften, zur Mobilisierung untergenutzter Flächen und zur Sanierung wichtiger Ortsteile nur ganzheitlich und langfristig ausgestaltet sein. Begleitet wird ein entsprechendes strategisches, integriertes und ganzheitliches Innenentwicklungsmanagement selbstverständlich
von politischen Elementen und Strategien, von Eigentümeransprachen, von Förderanreizen, von Bürgerbeteiligung, von privaten und öffentlichen Leuctturmprojekten,und von Öffentlichkeitsarbeit, was jeweils nur mittelbar Thema dieses Beitrags waren.

Am Anfang jeglicher Strategie steht jedoch immer die Situationsanalyse, das integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept, die vorbereitende Untersuchung, der Rahmenplan. All das sind im Ergebnis, wenngleich mit unterschiedlicher rechtlicher Verortung, Instrumente mit ähnlicher Zielsetzung: Der Ermittlung und Bewertung der städtebaulichen Stärken und Schwächen meines Dorfes oder meiner Stadt, um daraus Strategien für eine gute (städtebauliche) Ortsentwicklung abzuleiten.

Hieran knüpft sodann die Anwendung der oben genannten Instrumente an richtiger Stelle zur gebotenen Zeit. Die Umsetzung erfordert jedoch in der Regel einen langen Atem. Und sie bedarf eines „Kümmerers“. Die Erfahrung zeigt überdies, dass Innenentwicklung und Ortskernvitalisierung nur in enger Abstimmung und Kommunikation mit dem Bürger gelingt. Deshalb gelingt Innenentwicklung und Ortskernvitalisierung zumeist dort, wo die Bürgermeisterin
und der Bürgermeister das Thema zur Chefsache machen.

Gelungene Beispiele, wie das der Gemeinde Schleching im bayerischen Achental zeigen aber auch, dass es sich lohnt, sich mit dem hier erläuterten Instrumenten einer gelungenen Ortsentwicklung auseinanderzusetzen. Die Gemeinde Schleching erhielt im Aktionsprogramm „Dorf Vital“ eine Auszeichnung in der Kategorie „Dörfer mit vielfältigen Ansätzen zur Vitalitätsverbesserung, mit weit fortgeschrittenen Entwicklungsprozessen und bereits umgesetzten
Maßnahmen“. Schleching setzte hierbei auf eine breite, integrierte Strategie, aber eben auch auf den Instrumentenkasten des Baugesetzbuchs.

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